Nach dem Rücktritt der Schweizer Verteidigungsministerin, Bundesrätin Viola Amherd, wurde gestern als Ersatz der Zuger Gesundheitsdirektor, Oberst Martin Pfister, in die Schweizer Landesregierung gewählt. Welche Strategie könnte er in Bezug auf Verteidigung und Neutralität verfolgen?
Die Sitzung der Vereinigten Bundesversammlung, das heißt Nationalrat (Volksvertretung) plus Ständerat (Kantonsvertretung), wählt in der Schweiz ad personam die Landesregierung, den Bundesrat, und zwar fix für eine vierjährige Legislatur. Tritt ein Mitglied aus dem Gremium zurück, dann gibt es eine Ersatzwahl. Das siebenköpfige Gremium besteht – mehr oder weniger nach Parteienstärke im Parlament – aus zwei Mitgliedern der FDP, zwei Mitgliedern der nationalkonservativen SVP, zwei Sozialdemokraten und einem Mitglied der Mittepartei.
Nach dem Rücktritt der Schweizer Verteidigungsministerin, Bundesrätin Viola Amherd, war es gestern wieder einmal so weit. Neu besetzt wurde der Sitz der Mittepartei. Im Vorfeld sagten reihum prominente Kandidatinnen und Kandidaten ab, darunter der langjährige und sehr bekannte Parteipräsident Gerhard Pfister. Gewählt wurde dann der andere Pfister, Martin, der bis vor einigen Wochen national völlig unbekannt war. Daneben kandidierte der St. Galler Biobauer und Präsident des Bauernverbandes, Markus Ritter.
Die Departemente, also die Ministerien, werden zwar erst am Freitag bestimmt, aber da es höchst unwahrscheinlich ist, dass ein amtierender Bundesrat das Ministerium wechselt, dürfte Martin Pfister neuer Verteidigungsminister werden. Was ist von ihm zu erwarten?
Er möchte die Rolle der Schweiz in der Welt neu definieren und strebt eine «flexiblere Handhabung der Neutralität» an. In einem Interview betont er die Bedeutung einer engeren Kooperation mit Europa, insbesondere im Bereich der Sicherheitspolitik, und spricht sich für eine «flexible Neutralität» aus, die es der Schweiz erlaubt, aktiv Stellung zu beziehen. Das erinnert stark an Bundesrat Ignazio Cassis’ Paradoxon einer «kooperativen Neutralität».
Pfister kritisiert die fehlende Einhaltung internationaler Regeln (hier mehr zur Schweizer Neutralität, weitere Links im Beitrag). Den Krieg in der Ukraine bezeichnet er klipp und klar als russischen Angriffskrieg, sagt aber auch deutlich, dass sich westliche Akteure wie die USA ebenfalls nicht mehr ans Völkerrecht halten würden. In diesem Zusammenhang fordert er eine breitere, gesamtheitliche Sicherheitspolitik, bei der nicht nur die Armee, sondern auch andere Akteure berücksichtigt werden.
Zur Kooperation mit Europa steht Pfister klar für das neue Vertragspaket mit der EU, wobei er eine praktische Zusammenarbeit betont. In Bezug auf die NATO äußert er sich vorsichtig und unterstreicht, dass es vor allem um die praktische Zusammenarbeit gehe. In diesem Zusammenhang fiel das Stichwort «Interoperabilität». Zudem stellt Pfister die Notwendigkeit in den Raum, die finanziellen Mittel für die Armee zu überprüfen, insbesondere in Anbetracht der steigenden Verteidigungsausgaben in Europa. Er schlägt eine mögliche Mehrwertsteuererhöhung zur Finanzierung vor und ist für eine sorgfältige Verwendung der bereits zugesagten Mittel.
In Bezug auf die Armee will Pfister den Fokus nicht nur auf traditionelle Verteidigungstechniken wie Panzer und Artillerie legen, sondern auch Cyber-Verteidigung und internationale Zusammenarbeit verstärken. Insgesamt zeigt er sich pragmatisch und bereit, die Schweiz in einer sich verändernden globalen Sicherheitslage zu positionieren, wobei er auch die Unabhängigkeit und Souveränität des Landes erwähnt.