Die gewünschte Steigerung der Militärausgaben auf 3 bis 5 Prozent des BIP bedeuten bis zu 40 Mrd. Franken – die Hälfte des Bundesbudgets
Bevor man auf die Diskussionen um die Erhöhung der Militärausgaben der Schweiz aus 3 bis 5 Prozent des BIP eingeht, wie jüngst der deutsche Politiker Roderich Kiesewetter vorschlug (1), sollte man sich vergegenwärtigen, was das überhaupt bedeuten würde: Das wären Beträge von bis gegen 40 Milliarden Franken und damit fast die Hälfte des aktuellen Bundesbudgets.
Die Ausgaben des Bundes für die Armee wachsen bis Ende der gegenwärtigen Finanzplanung im Schnitt mit 4,5 Prozent, vor allem wegen beabsichtigter steigender Rüstungsausgaben (2). Die Idee von Roderich Kiesewetter und seiner transatlantischen Kollegen dürfte vor allem darin bestehen, dass die Schweizer diese Summen primär für Waffen aus ihren Ländern ausgeben, notabene für solche, die sich in der Ukraine in den letzten drei Jahren nicht bewährt haben (3).
Dazu kommt, dass mit der Steigerung der Rüstungsbeschaffung die große Gefahr entsteht, dass der Schweizer Armee danach nicht genügend Geld zur Verfügung steht, um den Ausbildungsbetrieb des Geräts zu finanzieren, sodass man es danach de facto stilllegen muss. Herr Kiesewetter war wohl einfach nicht unverfroren genug, um der Schweiz gleich vorzuschlagen, 30 Milliarden Franken jährlich à fonds perdu an die NATO zu überweisen, damit diese ihre weltweiten Kriege weiter finanzieren kann.
Stattdessen schlägt Herr Kiesewetter einfach eine Quersubvention mittels Rüstungskäufen vor. Eigentlich müsste man meinen, dass die Schweizer Fragen ihrer nationalen Sicherheit selbst beurteilen können.
Schweizer Waffen als Game Changer? Wohl kaum!
In der Hoffnung, sie würden die eidgenössische Politik nun munter machen, haben die eifrigsten Transatlantiker begonnen, die Schweizer Zulieferer zur europäischen Industrie unter Druck zu setzen, insbesondere mit der Drohung, dass sie schweizerische Unternehmen nicht mehr berücksichtigen würden, wenn die Schweiz beim Wiederexport von Waffensystemen mit schweizerischen Komponenten Hindernisse schaffe.
Als Paradebeispiel wird nach wie vor gerne die 35mm-Munition für die Fliegerabwehrkanonen angeführt (4). Diese Argumentation ist aber nur schon deshalb wenig stichhaltig, weil die Schweiz ohnehin nicht in der Lage wäre, den im Kriegsfall dramatisch steigenden Bedarf an Munition und Ersatzteilen zu decken.
Natürlich möchte sich die Schweizer Industrie einen Anteil am 800 Milliarden Euro großen Rüstungskuchen Europas abschneiden. Grundsätzlich ist die Schweiz kein geeigneter Standort für Rüstungsproduktion, nicht nur wegen der restriktiven Gesetzgebung im Bereich der Waffenexporte.
Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass die Schweiz keine nennenswerte eigene Rüstungsindustrie besitzt. Der Anteil der Rüstungsproduktion an der gesamten Wirtschaftsleistung der Schweiz betrug im vergangenen Jahr nur wenig mehr als 1 Promille und sie bestreitet lediglich 0,6 Prozent der gesamten Industrieproduktion des Landes (5).
Zu behaupten, ohne schweizerische Lieferungen verliere die Ukraine den Krieg gegen Russland ist reine Demagogie. Die Schweiz kann die Produktion von Waffen und Gerät für ihre eigene Armee im eigenen Land nicht sicherstellen, dafür ist der eigene Bedarf zu gering. Sie ist auch nicht in der Lage, auf dem internationalen Rüstungsmarkt als Lieferant bewährter Waffensysteme aufzutreten, weil ihr Gerät kaum je irgendwo im Kampfeinsatz gestanden hat oder steht.
So erging es den Schweizern beispielsweise mit dem Panzer 68 und in neuerer Zeit mit dem Sturmgewehr 90, das anderen westlichen Baumustern durchaus ebenbürtig ist (6). Darüber hinaus ist die schweizerische Gesetzgebung in Sachen Rüstungsexporte recht streng.
Die Schweizer sind gut beraten, alles zu unterlassen, was sie als Kriegsgewinnler aussehen lässt, als Land, das aus sicherer Position heraus von Kriegen und vom Unglück anderer Länder profitiert.
Auszug aus dem Artikel «Die Brüsseler Weihnachtsgans sucht Geld» von Oberstlt i Gst a D Ralph Bosshard, erschienen auf Global Bridge am 21. März 2025https://globalbridge.ch/die-bruesseler-weihnachtsgans-sucht-geld/
Fussnoten
- Siehe „Kritik aus dem Norden: Deutschland hat genug von der Schweizer «Mini-Aufrüstung»“, bei Watson, 09.03.2025, online unter https://www.watson.ch/schweiz/international/552481553-die-schweiz-ruestet-zu-wenig-auf-sagen-die-deutschen. Vgl auch Simone Brunner, Matthias Daum und Sarah Jäggi: Zwei Löcher im Donut, bei ZEIT online Nr. 11/2025, 12. März 2025, online unter https://www.zeit.de/2025/11/militaer-oesterreich-schweiz-verteidigungsfaehigkeit-europa. Mit den aktuell 4 aktiven Landbrigaden des Österreichischen Bundesheers kann man im Vergleich zum angrenzenden Ausland kaum von militärischer Schwäche sprechen. Siehe „Organisation“ auf der Homepage des ÖBH, online unter https://www.bundesheer.at/unser-heer/organisation. Dasselbe gilt für die Schweiz mit ihren 3 mechanisierten Brigaden und den 4 Territorialdivisionen, die de facto Brigadestärke haben.
- Siehe „Ausgaben“ auf der Homepage der Eidgenössischen Finanzverwaltung EFV, online unter https://www.efv.admin.ch/efv/de/home/finanzberichterstattung/bundeshaushalt_ueb/ausgaben.html und „Der Bundeshaushalt im Überblick, Voranschlag 2025“, als Pdf-Datei ebd. verfügbar.
- Symptomatisch dazu Patrick Zwerger: Alte F-16 ohne Chance gegen Russlands Su-35S? bei Flug Revue, 14.03.2025, online unter https://www.flugrevue.de/militaer/ukrainische-luftwaffe-ernuechtert-alte-f-16-ohne-chance-gegen-russlands-su-35s/.
- Zu diesem Strategiepapier äußerte sich der Verfasser am 19. Juni 2023 in der öffentlichen Anhörung des Deutschen Bundestags unmissverständlich, indem er die Ruckweisung an die Bundesregierung empfahl. Siehe Homepage des Deutschen Bundestags: “Auswärtiges, Nationale Sicherheitsstrategie stößt auf geteiltes Echo”, 19.06.2023, online unter https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2023/kw25-pa-auswaertiges-sicherheitsstrategie-952500, inkl. Video ab Minuten 1 h 40′ ff.
- Siehe „Die volkswirtschaftliche Bedeutung der Schweizer Rüstungsindustrie Studie im Auftrag des Staatssekretariats für Wirtschaft SECO Basel, September 2021“, hrsg. Von der BAK Economics AG, online unter https://www.newsd.admin.ch/newsd/message/attachments/70745.pdf.
- Es gelang der Schweizer Rüstungsindustrie nicht, die zahlreichen Mängel am Panzer 68 zu beseitigen, bevor auf dem Rüstungsmarkt eine neue Generation von Panzern verfügbar wurde, die dem, konzeptionell aus den frühen Sechzigerjahren stammenden Panzer 68 überlegen waren. Diese Mängel waren im Übungsbetrieb in der Schweizer Armee zutage getreten und. Siehe „Mängel am Panzer 68; Bericht des Ausschusses über seine Abklärungen sowie Schlussfolgerungen der Militärkommission des Nationalrates vom 17. September 1979“ online unter https://www.amtsdruckschriften.bar.admin.ch/viewOrigDoc.do?id=10047830. Das im internationalen Vergleich sehr präzise und in Bezug auf die Handhabung sehr vorteilhafte Sturmgewehr 90 der Schweizerischen Industrie-Gesellschaft wurde außerhalb der Schweiz lediglich in kleinen Stückzahlen von den Sondereinsatzkräften Deutschlands, Frankreichs, der USA, Indiens und Ägyptens, sowie von der Marine Saudi-Arabiens beschafft.