Transition-News berichtet über die Gründungsversammlung der Bewegung für Neutralität

Am Sonntag wurde die Bewegung für Neutralität gegründet. Das erste Ziel der neuen Organisation besteht darin, der überparteilichen Neutralitätsinitiative zum Durchbruch zu verhelfen, damit die Neutralität in der Bundesverfassung verankert wird.

Seit dem Februar 2022 ist alles anders. Während die Schweiz bis zu diesem Datum allgemein als neutraler Staat wahrgenommen wurde, hat sich die Situation seitdem geändert. Der Bundesrat, die Schweizer Landesregierung, versucht seit Kriegsausbruch in der Ukraine, die Neutralität zu «flexibilisieren».

Einfach ausgedrückt: Er rückt das Land in die Nähe der NATO. In Bezug auf die Russlandsanktionen der EU zögerte der Bundesrat einige Tage, machte dann aber – mutmaßlich unter starkem Druck von NATO und EU – praktisch vollständig mit. Der Bundesrat Ignazio Cassis prägte dafür das Paradoxon «kooperative Neutralität».

Die Schweiz hat zwar das Neutralitätsrecht jederzeit eingehalten. Es ist in den relevanten Haager Abkommen von 1907 geregelt und verpflichtet den neutralen Staat, Konfliktparteien eines zwischenstaatlichen Krieges nicht militärisch zu begünstigen. Aber Neutralität ist auch eine Frage der Wahrnehmung.

Auch im Kalten Krieg war die Schweiz fest im westlichen Lager. Aber sie wurde trotzdem von allen Seiten als neutral wahrgenommen, denn sie hielt sich von Militärbündnissen fern und trug Sanktionen nur teilweise mit.

Später verhielt sich das Land ebenfalls so. Beim Krieg in Bosnien gewährte es der NATO Überflugsrechte, denn diese Mission war vom UNO-Sicherheitsrat bewilligt und daher rechtens, während die NATO-Flugzeuge, die einige Jahre später Serbien bombardierten, einen Bogen um die Schweiz fliegen mussten. Da der UNO-Sicherheitsrat dies nicht bewilligt hatte, ist es als Angriffskrieg zu werten.

Solche Feinheiten werden in der internationalen Diplomatie wahrgenommen, aber damit ist es seit Februar 2022 vorbei. Deshalb wird die Schweiz in wichtigen Teilen der Welt nicht mehr als neutraler Akteur wahrgenommen. Im April 2024 hatte der russische Außenminister Sergej Lawrow die Schweiz sogar als «offen feindseliges Land» bezeichnet.

Neutralität heißt nicht Gesinnungsneutralität, wie das die Nazis im Zweiten Weltkrieg von der Schweiz erfolglos verlangten. Selbstverständlich darf ein neutrales Land Stellung beziehen. Selbstverständlich darf das Land und dürfen seine Bürger eine Meinung haben und diese ausdrücken.

Aber die Politik muss versuchen, in einem Konflikt die Position aller Parteien zu verstehen, wobei Verstehen nicht gutheißen bedeutet. Wenn sie das tut, dann kann sie die «Guten Dienste» erbringen, eine neutrale Verhandlungsplattform zur Verfügung stellen und die Interessen verfeindeter Länder wahren – was die Schweiz seit vielen Jahren im Verhältnis USA/Iran tut.

Deshalb setzt sich die am Sonntag gegründete Bewegung für Neutralität bene.swiss für eine Schweiz der guten Dienste ein, also für eine aktive, engagierte Neutralität. Hätte die Schweiz in den letzten drei Jahren eine etwas größere Distanz zur NATO und zur EU gewahrt, dann würden die aktuell laufenden Verhandlungen vielleicht nicht in Saudiarabien und in der Türkei stattfinden, sondern in Genf.

Auch innenpolitisch leistet die Neutralität gute Dienste. Im Ersten Weltkrieg war die Schweiz politisch gespalten. Die Deutschschweiz hielt zum Kaiserreich, die Welschschweiz neigte Frankreich zu. In seiner berühmten Rede vom 14. Dezember 1914 rief Carl Spitteler, damals einer der bekanntesten Schriftsteller, die Schweiz dazu auf, die Neutralität zu bewahren. Neutralität ist also gerade in Krisenzeiten entscheidend, damit der innere Frieden der Schweiz gewahrt bleibt.

Ohne Neutralität könnten die Schweizerinnen und Schweizer das Schicksal ihres Landes nicht mehr selber bestimmen. In unterschiedlichen Ausprägungen ist die Schweiz seit etwa 500 Jahren neutral, international verbrieft am Wiener Kongress und in den Verträgen von Versailles.

Die Neutralität ist also in der Bevölkerung der Schweiz fest verankert. Sie gehört zur DNA unseres Landes. Sie ist so selbstverständlich, dass sie bisher in der Bundesverfassung nur am Rande erwähnt ist. Die offizielle Schweiz wagt es deshalb nicht, sie komplett in Frage zu stellen. Ein Beitritt zu einem Bündnis wie der NATO bedürfte einer Volksabstimmung, bei der eine Mehrheit der Stimmenden und eine Mehrheit der Kantone zustimmen müssten – eine hohe Hürde, an der das Anliegen praktisch sicher scheitern würde.

Deshalb versucht gegenwärtig eine Phalanx von Regierung, fast aller Parteien, Verbänden und Medien, die Schweiz durch die Übernahme von Sanktionen und Ähnlichem näher an die NATO zu rücken.

Um diesem Trend entgegenzuwirken, wurde vor einiger Zeit die Neutralitätsinitiative lanciert. Fälschlicherweise wird sie in den Medien immer als Initiative der Schweizerischen Volkspartei (SVP) bezeichnet. Tatsächlich hat sich die größte Partei der Schweiz sehr für dieses Volksbegehren eingesetzt und auch einen großen Teil der Unterschriften beigebracht. Der Impuls und die Idee kamen aber von einer anderen Seite.

So ist die Bewegung für Neutralität aus der Taufe gehoben worden, damit die Initiative sichtbar von einer breiteren Basis getragen wird. Ihr Ziel ist es, die Vorlage politisch und gesellschaftlich breiter abzustützen und ihr an der Urne zum Durchbruch zu verhelfen. Stimmen ihr in etwa einem Jahr eine Mehrheit der Stimmenden und der Kantone zu, dann erlangt der Initiativtext Verfassungsrang und ist für den Bundesrat verpflichtend.

Die Erhaltung der bewährten Schweizer Neutralität ist eine Frage des inneren und des äußeren Friedens. Durch ihre Bewahrung kann die Spaltung der Bevölkerung diesbezüglich überwunden werden. Wird sie weiter Schritt für Schritt «flexibilisiert», dann besteht die Gefahr, dass auch die Schweiz früher oder später in fremde Kriege oder in eine teure Militarisierung gezwungen wird.

Denn Neutralität heißt nicht abseitsstehen und Geschäfte machen. Eine aktive Neutralität – und dafür setzt sich bene.swiss ein – heißt: die Stimme erheben für das Völkerrecht, vermitteln und als Land der guten Dienste aktiv werden. Bene.swiss ist als Basisbewegung geplant. Auf der Website der Bewegung können Sie sehen, wie und wo Sie sich engagieren können.

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